Der Bundesrat hat es im laufenden Jahr angetönt, der Experte für Rechnungsprüfung
Kaspar Müller bringt es auf den Punkt. Bei den grössten - und am
längsten laufenden - Schweizer AKW in Leibstadt und Gösgen wird falsch
gerechnet. Sonst wäre deren Atomstrom schon heute mindestens doppelt so
teuer. Eine Klage gegen die irreführenden Rechnungspraxen der
Muttergesellschaften wurde aber abgeschmettert.
Ein Beitrag im Magazin der Umweltbewegung Greenpeace klärt auf: Kaspar Müller, unabhängiger Finanzmarktexperte, weist auf
gravierende Mängel in der Bilanzierung der beiden AKW Leibstadt und
Gösgen (siehe Bild) hin. Im Interview mit dem Wahlbasler, der auch
Präsident der aktionärskritischen Pensionskassen-Stiftung Ethos ist,
belegt Müller Löcher in Milliardenhöhe in den Bilanzen sowohl des AKW's
in Leibstadt wie in Gösgen.
Wie ist so etwas
überhaupt möglich? Müller, der betont, nichts über die technischen
Sicherheitsfragen sagen zu können, weist darauf hin, dass in den
vergangenen Jahren bei den Betreibern schlicht zu optimistisch gerechnet
wurde. Zwar hat das unterdessen auch der Bund gemerkt, die erfolgten
Anpassungen seien aber ungenügend. Noch immer geht man davon aus, dass
eine Rendite der Mittel in den beiden Fonds für Sicherheit und
Entsorgung von 3,5 Prozent möglich sei und die Inflation 1,5 Prozent
betrage. Zu dieser unrealistischen Ausgangslage
komme hinzu, dass vor allem in den Entsorgungsfonds erst nach der
Jahrtausendwende eingezahlt wurde, also viel zu spät nach Beginn der
Laufzeiten der beiden AKW in den mittleren 80er Jahren.
Allein schon eine
Korrektur solch offensichtlicher Fehleinschätzungen (zu denen sich
weitere falsche Bewertungsannahmen etwa bezüglich der vorhandenen
Wertpapiere in den Fonds gesellten) würde die Produktionskosten
mindestens verdoppeln. Eine Kilowattstunde Strom müsste demnach schon
heute statt vier bis fünf deren zehn oder gar gegen 20 Rappen kosten.
Müller unterlässt folgenden Hinweis, aber diesen Zahlen ist
nachzureichen: Damit ist Atomstrom schon heute eigentlich so teuer wie
die Produktion erneuerbarer Energie aus Wind- und Solaranlagen. Und
längst nicht alle effektiven Kosten sind damit in der Berechnung der
Atomkosten enthalten - so fehlen etwa die Versicherungsprämien, die geschuldet wären, um das effektive Risiko des Atomstroms
abzudecken.
Greenpeace und der so genannte Trinationale Atomschutzverband hatten Gösgen und Leibstadt
vor zwei Jahren angezeigt. Die Solothurner Staatsanwaltschaft hat
gemäss Müller daraufhin zwar die monierten Zustände nicht abgestritten.
Dennoch berief sie sich darauf, dass es sich nur um Buchverluste handle in den Bilanzen der beiden AKW, diese also noch nicht realisiert und deshalb irrelevant seien. Gemäss Müller sei ein solcher Schluss aber weder nachvollziehbar noch mit den Richtlinien für die ordentliche Buchführung vereinbar. Müller wörtlich im Greenpeace-Interview: «Das ist unglaublich».
Quelle: Greenpeace Magazin 4/2014 - noch nicht verfügbar im Internet
© Solarmedia / Text und Bild: Guntram Rehsche
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