Der
Ausstieg aus der Kernenergie setzt die vermehrte Nutzung erneuerbarer Energie
voraus. Dies kann in der Schweiz zu lokalen Konflikten mit anderen
Landschaftsdienstleistungen führen. Das am 25. November 2014 an der
Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL in Birmensdorf durchgeführte "Forum für
Wissen" zeigte jedoch, dass es in der Schweiz genügend Flächen gibt, auf denen
erneuerbare Energie ohne grosse Konflikte gewonnen werden kann.
Dort,
wo sich beide Grafiken decken, könnte es zu Konflikten zwischen verschiedenen
Nutzergruppen kommen. Mit der nationalen Konfliktkarte lässt sich also
abschätzen, wo sich neue Energieprojekte konfliktarm durchsetzen liessen. "Für
die lokale Objektplanung sind diese Karten allerdings zu ungenau", sagt
Kienast, der mit dieser Methode aufzeigt, wo sich mit Wind- und Solarenergie
sowie dem vorwiegend im Wald produzierten Energieholz etwa drei Viertel der
neuen erneuerbaren Energie erzeugen liesse. Lediglich 25 Prozent müssten dann
durch den Ausbau der Kleinwasserkraft sowie durch Solaranlagen auf Freiflächen,
Geothermie oder Wärme aus Abwasserreinigung und Kehrrichtverbrennung gewonnen
werden. Am Beispiel des Kantons Aargau zeigte Isabel Ballmer (WSL), dass die
Rechnung im Hinblick auf eine erneuerbare Elektrizitätsproduktion auch auf
Kantonsebene aufgehen kann.
Der
Ausbau der Wasserkraftnutzung ist eine grosse Herausforderung, denn der grösste
Teil des vorhanden Potenzials wird heute bereits genutzt. Zudem kann sich die
Vergrösserung bestehender Stauseen nachteilig auf Landschaftsbild, Tourismus
und Gewässerökologie auswirken. Christine Weber und Martin Schmid von der EAWAG
gehen davon aus, dass der Ausbau der Kleinwasserkraft viele kleine, noch
naturnahe Fliessgewässer ökologisch stark beeinträchtigt. Auch der Betrieb von
Pumpspeicherwerken hat Nachteile, denn das gespeicherte Wasser fliesst zu
unregelmässig ab. Mit künstlichen Abflussschwankungen auf den darunter
liegenden Flussstrecken würde sich der Lebensraum für Fische und andere
Organismen verbessern, ähnlich wie künstliche Hochwasser an der
Restwasserstrecke des Spöls im Schweizer Nationalpark.
Holz
deckt zwar nur gut vier Prozent des Endenergieverbrauchs in der Schweiz, hat
aber gegenüber den Energiequellen Wind und Sonne einen grossen Vorteil: Es ist
sowohl für die Erzeugung von Wärme, Strom und Treibstoff einsetzbar. Und Holz
ist lagerfähig und kann, vereinfacht ausgedrückt, genau dann zur
Energieproduktion eingesetzt werden, wenn kein Wind weht und die Sonne nicht
scheint. Gemäss Oliver Thees (WSL) liesse sich im Wald langfristig vor allem
Laubholz als zusätzliches Energieholz nutzen. Würde z.B. landesweit so viel
Holz eingeschlagen wie nachwächst und frühzeitig im Wald entschieden, noch mehr
Stammteile energetisch statt stofflich zu verwenden, nähme die Menge an
Energieholz weiter zu. "Das Schöne ist, dass die Mehrnutzung des Energieholzes
für die Landschaft keine gravierenden Folgen hat", sagt Thees.
Zwei
Umfragen von Marcel Hunziker und seinem Team (WSL und Universität Zürich)
ergaben, dass Anlagen zur Gewinnung
erneuerbarer Energie die Bevölkerung kaum stören. Eine potenzielle
Vergrösserung des Grimsel-Stausees wurde zwar von der Mehrzahl der Touristen
als Verlust der Landschaftsqualität wahrgenommen, werde die Besucher aber nicht
davon abhalten, diese Gegend wieder zu besuchen. Und eine Befragung im Goms
ergab, dass Photovoltaikanlagen an Lawinenverbauungen nur eine Minderheit der
Befragten störte. Hunziker erwartet, dass neue Anlagen zur Energiegewinnung vor
allem dann akzeptiert werden, wenn sie als positive Symbole der Energiewende
und einer nachhaltigen Ressourcennutzung gelten.
Für Guido Federer vom Bundesamt
für Energie geht es bei der Erreichung der Energieziele in der Schweiz nicht alleine um die potenzielle Produktion aus
erneuerbaren Energiequellen im Umfang von etwa 24,2 TWh/Jahr. Es gehe auch
darum, den Gesamtenergieverbrauch zu senken und die Verteilnetze umzubauen, die
den zusätzlichen Strom aus Erneuerbaren aus einer Vielzahl dezentraler
Kraftwerke aufnehmen müssen. "Effizienz muss das erste Standbein für die
Nutzung der Energie sein", so Federer.
Tagungsleiter Felix Kienast ist
überzeugt, dass die Energiewende auch bei schonendem Umgang mit der Landschaft
gelingen wird. Die hoch gesteckten Ziele wird die Schweiz seiner Meinung nach
aber nur erreichen können, wenn in den kommenden Jahren ein intensiver Dialog
zwischen Forschung, Politik, Verwaltung, Praxis und Bevölkerung stattfindet. Gemäss
dem stellvertretenden Direktor der WSL Christoph Hegg könne und müsse die
Forschung die Vor- und Nachteile einzelner Energiequellen und ihrer
Auswirkungen auf Landschaft und Umwelt abwägen und Entscheidungsgrundlagen für
die Umsetzung der Energiewende liefern. Das vom Bund finanzierte Forschungsprogramms
„Energy Change Impact“, das WSL und EAWAG gemeinsam
koordinieren, soll
dazu Beiträge leisten. Das Programm arbeitet eng mit Partnern in der Umwelt- und
Energieforschung im In- und Ausland sowie mit der Politik zusammen.
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