Ob Wind- und Solarstromanlagen beim Ausbau der Erneuerbaren Energien eher an
den besten Standorten oder in der Nähe der Verbraucher gebaut werden,
ist unter Kostengesichtspunkten einerlei. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des deutschen Think Tanks Agora Energiewende - deren Ergebnisse sinngemäss durchaus auch für die Schweiz plausibel sind. Denkbar ist demnach sogar eine solare Vollversorgung.
Unter Kostengesichtspunkten spielt es kaum
eine Rolle, ob Windkraft- und Solaranlagen künftig eher dort errichtet
werden, wo die Stromerzeugung besonders günstig ist oder aber dort, wo
der Strom verbraucht wird. Das ist das Ergebnis einer Studie
renommierter Wissenschaftler im Auftrag von Agora Energiewende,
deren Endergebnisse am jetzt vorgestellt wurden. „Unter
Kostengesichtspunkten ist die regionale Verteilung der Anlagen beinahe
unerheblich. Die Politik hat damit einen großen Handlungsspielraum
beim Ausbau von Onshore-Windkraft und Photovoltaik“, sagt Rainer
Baake, Direktor des von der Stiftung Mercator und der European Climate
Foundation getragenen Denklabors.
Solaranlage auf Altbauten im Zürcher Friesenberg - gemäss der Agora-Studie wäre es sogar möglich, die Stromversorgung vollumfänglich auf Photovoltaik umzustellen, kombiniert mit geeigneten Speichern (Bild: Guntram Rehsche).
Werden für die Energiewende
vor allem die besten Standorte genutzt – Windkraftanlagen in den
Küstenregionen, Solaranlagen in Süddeutschland - müssten zwar insgesamt
weniger Anlagen gebaut werden, allerdings verursacht die von Zeit zu
Zeit nötige Drosselung der Anlagen bei viel Wind und Sonne zusätzliche
Kosten. Baut man die Anlagen hingegen näher an den Verbrauchszentren, so
werden zwar mehr Anlagen benötigt, um die gleiche Menge Strom zu
produzieren, doch dafür wird das Stromsystem entlastet: Die Anlagen
produzieren zu unterschiedlichen Zeiten Strom und speisen diesen näher
an den Verbrauchern ins Netz ein. Sie müssen daher im Vergleich zu einem
Ausbau an den besten Standorten nur vergleichsweise selten gedrosselt
werden.
Theoretisch möglich wäre auch eine Stromversorgung Deutschlands, die
zu einem wesentlichen Teil auf Photovoltaikanlagen und daran
angeschlossene Batteriespeicher basiert. Ein solches Szenario wurde in
der Studie erstmals auch unter Kostengesichtspunkten betrachtet. Damit
solch ein Szenario zu vergleichbaren Gesamtkosten wie die anderen
Szenarien führt, müssten die Preise für dezentrale
Photovoltaik-Batteriespeicher-Systeme in den kommenden 20 Jahren um 80
Prozent fallen. Dies ist zwar nicht unmöglich, erscheint aus heutiger
Sicht aber nicht wahrscheinlich. Auf die Sicherheit der Stromversorgung
hätte eine große Anzahl von Photovoltaik-Batteriespeichersystemen keine
Auswirkungen. Auch bei einer Leistung von 150 Gigawatt – dem fünffachen
von heute – kann das Stromsystem noch sicher arbeiten. „Vor dem
Hintergrund der noch sehr hohen Kosten für
Photovoltaik-Batteriespeicher-Kombinationen ist allerdings ein starker
Fokus auf solche Systeme derzeit nicht erstrebenswert“, sagt Baake.
Untersucht haben die Wissenschaftler auch, wie sich unterschiedliche
Geschwindigkeiten beim Netzausbau auf das Stromsystem auswirken: Demnach
rentieren sich auf lange Sicht Investitionen in Netze immer –
unabhängig von der Frage, wo die Erneuerbare-Energien-Anlagen
hauptsächlich gebaut werden. Dabei muss der Ausbau der Erneuerbaren
jedoch nicht auf den Bau der Netze warten, so die Studie. Zwar führen
Verzögerungen im Netzausbau zu Mehrkosten durch die umfangreiche
Drosselung von Windkraft- und Solaranlagen, diese werden aber durch die
verzögerte Investition weitgehend aufgewogen.
Gezeigt hat die Studie ebenfalls, dass sich beim von der
Bundesregierung geplanten Ausbau der Erneuerbaren Energien rund 2,5
Milliarden Euro im Jahr sparen lassen. Dazu müssten im Vergleich zu den
derzeitigen Plänen vor allem mehr Windkraftanlagen an Land gebaut werden
und weniger auf See. „Beim Ausbau der Offshore-Windkraft kommt es auf
die richtige Balance an. Der Ausbau sollte auf einem niedrigeren Niveau
fortgeführt werden, um Technologie- und Industrieentwicklung hier
weiterhin zu ermöglichen und gleichzeitig die Kosten zu reduzieren“,
betont Rainer Baake.
Die Studie „Kostenoptimaler Ausbau der Erneuerbaren Energien in
Deutschland“ wurde vom Aachener Beratungsunternehmen Consentec mit
Unterstützung durch das Fraunhofer-Institut IWES in Kassel erarbeitet.
Dafür wurden das europäische Stromsystem, die Lastflüsse und die
Einspeisung von Strom aus Erneuerbaren Energien modelliert.
Quelle: Agora Energiewende
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