Erneuerbare Energien tragen erheblich zur regionalen
Wertschöpfung bei. Das belegt eine Studie der Universität Kassel.
Zugleich geben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
Empfehlungen, wie beim Bau von Anlagen das regionale
Wertschöpfungs-Potenzial genutzt werden kann.
Eine Forschungsgruppe unter Führung von Prof. Dr. Reinhold Kosfeld,
Leiter des Fachgebiets Statistik an der Universität Kassel, untersuchte
für die Studie, welche regionalwirtschaftlichen Effekte die
verschiedenen Strom-Erzeugungsarten Photovoltaik, Windkraft, Wasserkraft
und Biogas haben. Sie vergleicht dabei die fünf Modellregionen
Landkreis Dithmarschen, Planungsregion Lausitz-Spreewald, Landkreis
Rhein-Sieg, Planungsverband Westmittelfranken sowie Nordhessen (genauer:
der Regierungsbezirk Kassel). „Diese fünf Regionen haben wir
ausgewählt, weil sie für die verschiedenen Energieerzeugungsarten
jeweils spezifische Vorteile und Schwerpunktsetzungen aufweisen“,
erläutert Prof. Kosfeld. „Entsprechend unterschiedlich fallen die
Ergebnisse aus.“
Die regionale Wertschöpfung durch Erneuerbare Energien betont in der Schweiz etwa die Region Emmental - mit dem Label «Oil of Emmental».
Für die Region Nordhessen summiert sich die
regionale Wertschöpfung auf über 115 Mio. Euro jährlich – und das obwohl
die Studie sich auf Anlagen konzentriert, die nach dem EEG-Gesetz
gefördert werden. Großanlagen wie das Edersee-Kraftwerk fließen nicht
mit ein. Außerdem lässt die Studie Energieerzeugungsarten wie die
Geothermie aus der Rechnung, die bislang nur in geringem Umfang zur
Energiegewinnung beitragen. Den größten Anteil zur Wertschöpfung steuert
in Nordhessen demnach mit rund 90,4 Mio. Euro die Photovoltaik bei.
Daneben spielen auch Windkraft (12,2 Mio. Euro) und Biogas (12,0 Mio.
Euro) eine große Rolle. Die Wasserkraft trägt – ohne das
Edersee-Kraftwerk – nur einen kleinen Teil zur Wertschöpfung bei (0,8
Mio. Euro). Die jährliche Wertschöpfung pro Kopf beträgt in Nordhessen
94,30 Euro. „Zu beachten ist, dass wir in unserer Untersuchung
regionalwirtschaftliche Effekte ermitteln. Das schließt nicht aus, dass
Anlagen aus anderen Gründen anders bewertet werden können“, stellte
Prof. Kosfeld klar. „Das kann der Energiemix sein, aber auch
betriebswirtschaftliche Gründe. Ein anderes Beispiel sind
Pumpspeicherwerke, die nur eine geringe Wertschöpfung haben, deren
Vorteil aber in der Stabilisierung des Netzes liegt.“
Berücksichtigt wurde in der Studie nur die Stromerzeugung, nicht die
Erzeugung anderer Energie (wie Wärme- oder Biosprit-Gewinnung). Zudem
beschränkt sich die Studie auf die Betriebsphase der Anlagen, die
Anfangsinvestitionen für den Bau der Anlagen fließen nur als
Betriebskosten über die Abschreibungen ein. Eine Rechnung, die die
Anfangsinvestitionen in ihrer vollen Wirkung einbezieht, hätte allein
auf volkswirtschaftlicher Ebene Sinn. Die Hochrechnung der Kasseler
Forschungsgruppe basiert auf der Ende 2011 tatsächlich installierten
Leistung.
Die Methode zur Errechnung der Wertschöpfung leitet sich aus
der Entstehungs- und Verteilungsrechnung der Volkswirtschaftlichen
Gesamtrechnung ab. Neben dem Wert des erzeugten Stromes wurden dabei
auch jährlich anfallende Kosten etwa für Wartung, Versicherung oder
Fremdkapitalzinsen eingerechnet. Höhere Kosten können dabei zu einer
höheren regionalen Wertschöpfung führen – insbesondere, wenn sie noch
durch entsprechende Erlöse gedeckt werden und das ausgegebene Geld in
der Region bleibt. „Übernimmt ein Handwerker aus der Nachbarschaft die
Wartung, erhöht das die regionale Wertschöpfung; kommt der Handwerker
von weit her, dann versickert der regionale Effekt“, erläutert Prof.
Kosfeld. Zudem berücksichtigten die Statistiker die Wirkung von Steuern
und indirekten Effekten wie Abschreibungen. Und nicht zuletzt
berechneten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch die
sogenannten induzierten Effekte: Die Einnahmen aus der Stromerzeugung
lösen nämlich eine Kaskade weiterer Wertschöpfung aus. Vereinfacht
gesagt: Der Besitzer einer Anlage gibt seine Einnahmen zu einem
bestimmten Anteil für Waren und Dienstleistung aus der Region aus, wovon
wiederum andere Gewerbetreibende profitieren – und so weiter.
Die Forschungsgruppe bezifferte nicht nur die Wertschöpfung
alternativer Stromerzeugung für ganze Regionen, sie führte darüber
hinaus auch auf, wie viel einzelne, typische Anlagen pro installierter
kW zur Wertschöpfung beitragen. Ergebnis: Die Effekte zwischen den
einzelnen Energiearten differieren stark. Den größten Beitrag pro kW
weisen dabei kleine eigenbetriebene Biogasanlagen auf (in Nordhessen 750
Euro pro kW). Dies ist primär auf die vergleichsweise hohen
Vergütungssätze zurückzuführen, die insbesondere dann ins Gewicht
fallen, wenn die Landwirte in der Biogas-Produktion nachwachsende
Rohstoffe und Gülle in größerem Umfang einsetzen. Windkraft und
Photovoltaik führen hingegen aufgrund eher geringer Betriebskosten zu
deutlich niedrigeren Wertschöpfungseffekten. Aber auch innerhalb einer
Energieart fallen die Unterschiede zwischen den einzelnen Regionen auf -
begründet im Wesentlichen durch die standortspezifische Ertragslage und
durch die unterschiedlichen regionalen Importquoten, die von der Größe
und der Wirtschaftsstruktur der Regionen bestimmt werden. So ist der
Beitrag pro kW installierter Leistung von Windkraftanlagen in
Dithmarschen naheliegenderweise höher als im Binnenland.
Die Autoren schließen ihre Studie mit konkreten
Handlungsempfehlungen. Die Nutzung erneuerbarer Energien könne „seitens
der Regionalplanung im Sinne ihrer Entwicklungsfunktion nicht nur als
regulative Aufgabe, sondern auch als ökonomische Chance für die Region
beworben werden“, heißt es darin. „Je größer der Wertschöpfungseffekt
einer erneuerbaren Energie ist, umso nachhaltiger ist ihr Beitrag zur
Regionalentwicklung, wodurch sich insbesondere auch in strukturschwachen
ländlichen Räumen völlig neue Perspektiven ergeben können.“ So
empfehlen die Autoren die Finanzierung von Anlagen über regionale Banken
und Fonds oder über die Bereitstellung von Bürgerkapital – denn nur
dann bleiben auch die Erlöse in der Region.
Das Fachgebiet
Statistik der Universität Kassel führte die Untersuchung im Auftrag des
Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und des
Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung durch.
Kooperationspartner war die Firma MUT Energiesysteme, Kassel.
Quelle: Universität Kassel
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