Samstag, 7. Juli 2018

Tübingen überall !

Die süddeutsche Universitätsstadt Tübingen führt eine Solarpflicht ein - Tübingen will mit seinen neuen Vorschriften, dass sich möglichst viele Bürgerinnen und Bürger am Erreichen der Klimaschutzziele beteiligen. Ein Kommentar des Energiepublizisten Franz Alt zu einem Vorgang, der so auch in der Schweiz stattfinden könnte / sollte...

Nicht dutzendemal, sondern hundertemal wurde ich in den letzten Jahrzehnten gefragt: „Warum werden bei Neubauten Solaranlagen nicht vorgeschrieben?“ Ja warum wohl? Ein grüner Bürgermeister in Kassel hat es mal mit einer solchen Vorschrift versucht. Er wurde von seiner hessischen Landesregierung ausgebremst mit der Begründung, eine solche Vorschrift sei „Ökodiktatur“.
 
In Bayern gibt es meines Wissens zwei kleine Kommunen, die solche sinnvollen Vorschriften für Neubaugebiete mit Erfolg erlassen haben. Jetzt aber ist Tübingen die erste größere deutsche Stadt, die mit ihrem grünen Oberbürgermeist Boris Palmer und der Mehrheit des Stadtrats beschlossen hat: Neubauten werden nur noch zusammen mit Solarstromanlagen genehmigt. Architekten müssen also endlich lernen, wo Süden ist. Die bisherigen Ausreden der Kommunalpolitiker: Die Bauordnung lässt eine solche Vorschrift nicht zu, Denkmalschutz verbiete PV-Anlagen, Solarstrom sei zu teuer, eine PV-Vorschrift wäre „Ökodiktatur“ oder ähnlicher Unsinn. In Deutschland ist noch immer kein Argument zu doof, um nicht gegen die Energiewende ins Feld geführt zu werden.

Photovoltaik-Anlagen rechnen sich, seit es in Deutschland das Erneuerbare-Energien-Gesetz im Jahr 2000 gibt. Viele Hausbesitzer und Energiegenossenschaften haben sogar ordentliches Geld damit verdient oder gespart. Tübingen will mit seinen neuen Vorschriften, dass sich möglichst viele Bürgerinnen und Bürger am Erreichen der Klimaschutzziele beteiligen. Was das Problem von allen ist, muss auch von allen gelöst werden. Die Stadt am Neckar hat sich zum Ziel gesetzt, die CO2-Emissionen bis 2022 um ein Viertel zu senken – gemessen an 2014.

Windräder können in Städten nur in begrenzter Zahl aufgestellt werden, Wasserkraft ist in Tübingen ausgeschöpft und auch Bioenergie natürlich begrenzt. Also bleiben die Dächer und Fassaden für Solaranlagen. Hier liegt das größte bisher ungenutzte Potential. Die Sonne scheint auf jedes Dach, kostenlos, umweltfreundlich und nahezu für alle Zeit. Aber der Preis für die Anlagen? Es ist ein nahezu unausrottbares Vorurteil der Ignoranten, dass Solarstrom zu teuer sei.

Preiswerte Sonnenenergie: Dabei ist in den meisten Ländern der Welt die Sonnenenergie bereits die preiswerteste Energiequelle und wird immer billiger. Eben weil die Sonne keine Rechnung schickt. Und sie hat so gut wie keine Folgekosten im Gegensatz zur alten, fossil-atomaren Energieversorgung. Die Stadtwerke Tübingen machen Hausbesitzern, die selbst nicht investieren wollen, ein Angebot: Die Dachflächen Anderen zur Verfügung zu stellen. Pachtmodelle sollen ermöglicht werden.  

Die Stadtwerke Tübingen bieten auch an, die Anlagen selbst zu finanzieren und zu warten. Ein gutes Geschäft. Oberbürgermeister Palmer rechnet damit, dass seine Bürger mitmachen – schon des Preisvorteils wegen. Das  Benutzen eines Elektroautos mit selbst erzeugtem Solarstrom macht den Ökostrom noch preiswerter. Er kostet höchstens ein Drittel dessen, was die Autofahrer bisher an der Tankstelle bezahlt haben.

Tübingen sollte jetzt überall werden. Es gibt keine Ausreden mehr - Anmerkung Solarmedia: So auch in der Schweiz!
  • taz "Photovoltaikpflicht in Tübingen - Sonne darf nicht mehr nur so scheinen"
  • Boris Palmer zur neuen Photovoltaik-Pflicht in Tübingen | Interview: Die Stadt will nur dann zum Bau einer Solaranlage verpflichten, wenn es sich für Bauherren oder Mieter wirtschaftlich rechnet. Nach Ansicht des Tübinger Oberbürgermeisters Boris Palmer (Bündnis 90/Die Grünen) ist das in den meisten Fällen so, gerade wenn der Solarstrom vom Dach selbst verbraucht wird. Dadurch, dass die Pflicht für Neubauten zur Photovoltaik-Nutzung in Grundstückskaufverträgen und städtebaulichen Verträgen festgeschrieben wird, erwartet Palmer, dass sie nicht wie in Marburg vor acht Jahren geschehen, vor Gericht scheitern wird.

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