Die süddeutsche Universitätsstadt Tübingen führt eine Solarpflicht ein - Tübingen will mit
seinen neuen Vorschriften, dass sich möglichst viele Bürgerinnen und
Bürger am Erreichen der Klimaschutzziele beteiligen. Ein Kommentar des Energiepublizisten Franz Alt zu einem Vorgang, der so auch in der Schweiz stattfinden könnte / sollte...
Nicht
dutzendemal, sondern hundertemal wurde ich in den letzten Jahrzehnten gefragt:
„Warum werden bei Neubauten Solaranlagen nicht vorgeschrieben?“ Ja warum
wohl? Ein grüner Bürgermeister in Kassel hat es mal mit einer solchen
Vorschrift versucht. Er wurde von seiner hessischen Landesregierung ausgebremst
mit der Begründung, eine solche Vorschrift sei „Ökodiktatur“.
In Bayern
gibt es meines Wissens zwei kleine Kommunen, die solche sinnvollen Vorschriften
für Neubaugebiete mit Erfolg erlassen haben. Jetzt aber ist Tübingen die erste größere
deutsche Stadt, die mit ihrem grünen Oberbürgermeist Boris Palmer und der
Mehrheit des Stadtrats beschlossen hat: Neubauten werden nur noch zusammen mit
Solarstromanlagen genehmigt. Architekten
müssen also endlich lernen, wo Süden ist. Die bisherigen Ausreden der
Kommunalpolitiker: Die Bauordnung lässt eine solche Vorschrift nicht zu,
Denkmalschutz verbiete PV-Anlagen, Solarstrom sei zu teuer, eine PV-Vorschrift
wäre „Ökodiktatur“ oder ähnlicher Unsinn. In Deutschland ist noch immer kein
Argument zu doof, um nicht gegen die Energiewende ins Feld geführt zu werden.
Photovoltaik-Anlagen
rechnen sich, seit es in Deutschland das Erneuerbare-Energien-Gesetz im Jahr 2000 gibt. Viele
Hausbesitzer und Energiegenossenschaften haben sogar ordentliches Geld damit
verdient oder gespart. Tübingen
will mit seinen neuen Vorschriften, dass sich möglichst viele Bürgerinnen und
Bürger am Erreichen der Klimaschutzziele beteiligen. Was das Problem von allen
ist, muss auch von allen gelöst werden. Die Stadt am Neckar hat sich zum Ziel
gesetzt, die CO2-Emissionen bis 2022 um ein Viertel zu senken – gemessen an
2014.
Windräder können in Städten nur in begrenzter Zahl aufgestellt werden,
Wasserkraft ist in Tübingen ausgeschöpft und auch Bioenergie natürlich
begrenzt. Also bleiben die Dächer und Fassaden für Solaranlagen. Hier liegt das
größte bisher ungenutzte Potential. Die Sonne
scheint auf jedes Dach, kostenlos, umweltfreundlich und nahezu für alle Zeit.
Aber der Preis für die Anlagen? Es ist ein nahezu unausrottbares Vorurteil der
Ignoranten, dass Solarstrom zu teuer sei.
Preiswerte
Sonnenenergie: Dabei ist in
den meisten Ländern der Welt die Sonnenenergie bereits die preiswerteste
Energiequelle und wird immer billiger. Eben weil die Sonne keine Rechnung
schickt. Und sie hat so gut wie keine Folgekosten im Gegensatz zur alten,
fossil-atomaren Energieversorgung. Die Stadtwerke Tübingen machen
Hausbesitzern, die selbst nicht investieren wollen, ein Angebot: Die
Dachflächen Anderen zur Verfügung zu stellen. Pachtmodelle sollen ermöglicht
werden.
Die
Stadtwerke Tübingen bieten auch an, die Anlagen selbst zu finanzieren und zu warten. Ein
gutes Geschäft. Oberbürgermeister Palmer rechnet damit, dass seine Bürger
mitmachen – schon des Preisvorteils wegen. Das
Benutzen eines Elektroautos mit selbst erzeugtem Solarstrom macht den
Ökostrom noch preiswerter. Er kostet höchstens ein Drittel dessen, was die
Autofahrer bisher an der Tankstelle bezahlt haben.
Tübingen
sollte jetzt überall werden. Es gibt keine Ausreden mehr - Anmerkung Solarmedia: So auch in der Schweiz!
- taz "Photovoltaikpflicht in Tübingen - Sonne darf nicht mehr nur so scheinen"
- Boris Palmer zur neuen Photovoltaik-Pflicht in Tübingen | Interview: Die Stadt will nur dann zum Bau einer Solaranlage verpflichten, wenn es sich für Bauherren oder Mieter wirtschaftlich rechnet. Nach Ansicht des Tübinger Oberbürgermeisters Boris Palmer (Bündnis 90/Die Grünen) ist das in den meisten Fällen so, gerade wenn der Solarstrom vom Dach selbst verbraucht wird. Dadurch, dass die Pflicht für Neubauten zur Photovoltaik-Nutzung in Grundstückskaufverträgen und städtebaulichen Verträgen festgeschrieben wird, erwartet Palmer, dass sie nicht wie in Marburg vor acht Jahren geschehen, vor Gericht scheitern wird.
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