Dienstag, 22. August 2017

Widerstand nimmt zu

Der Widerstand der Aktionäre ist 2017 gestiegen, dies zeigt die jährliche Ethos Studie über die Generalversammlungen, Vergütungen und Corporate Governance der in der Schweiz kotierten Unternehmen. Insgesamt wurden 14% der Anträge mit weniger als 90% Ja-Stimmen von den Aktionären angenommen, im Vergleich zu 12% im vergangenen Jahr. Bei den Abstimmungen über die Vergütungen der Führungsinstanzen zeigten sich die Aktionäre besonders kritisch. Parallel zur Veröffentlichung ihrer Studie gibt Ethos auch ihre Erwartungen an den zurzeit im Parlament beratenen Entwurf zur Revision des Aktienrechts bekannt.
 
Innerhalb der 200 Unternehmen des Börsenindexes SPI betrug die durchschnittliche Zustimmungsquote der den Aktionären 2017 zur Abstimmung vorgelegten Traktanden 95,4% (2016: 96,3%). Insgesamt erhielten 7% der Anträge weniger als 80% Zustimmung (2016: 4%), 27 Anträge wurden von der Generalversammlung sogar abgelehnt. Ausserdem wären etwa 30 Anträge, über die in Unternehmen mit einem Ankeraktionär (d.h. mit mindestens einem Drittel der Stimmrechte) abgestimmt wurde, bei alleiniger Berücksichtigung der Stimmen der übrigen Aktionäre abgelehnt worden. Ethos-Direktor Vincent Kaufmann dazu: «Der zunehmende Widerstand zeigt, dass sich die Aktionäre ihrer Rechte bewusst geworden sind und diese geltend machen»
 
Die Anträge in Zusammenhang mit den Vergütungen der Führungsinstanzen (Verwaltungsrat und Geschäftsleitung) waren besonders umstritten: So wurden 21% der Konsultativabstimmungen über den Vergütungsbericht von weniger als 80% der Aktionäre unterstützt. 2016 waren es nur 16%. Die durchschnittliche Ablehnungsquote betrug beim Vergütungsbericht 13,3%, im Vergleich zu 11% im Jahr 2016. Ethos zeigte sich bei ihren Stimmempfehlungen ebenfalls kritischer und lehnte 18% aller der Generalversammlungen der SPI-Unternehmen zur Abstimmung vorgelegten Anträge ab (2016: 15%). Dies ist in erster Linie auf eine Änderung der Stimmrechtsrichtlinien von Ethos zurückzuführen, welche nunmehr vorsehen, die Wahl eines Verwaltungsratsmitglieds mit exekutiven Aufgaben im gleichen Unternehmen abzulehnen. In Übereinstimmung mit den neuen europäischen Vorgaben stimmt Ethos seit diesem Jahr auch gegen die Wiederwahl der Revisionsstelle, wenn deren Mandatsdauer 20 Jahre überschreitet.
 
Die durchschnittlichen Vergütungen sind nahezu konstant geblieben. Es sind jedoch erhebliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Sektoren festzustellen. Insbesondere stieg innerhalb der 100 grössten kotierten Gesellschaften die Gesamtvergütung der Führungsinstanzen der Unternehmen des Finanzsektors um 4%, obwohl die Gewinne im gleichen Zeitraum um 16% sanken. Bei den Vergütungsabstimmungen in den Unternehmen des Finanzsektors äusserte sich dies darin, dass im Vergleich zu den anderen Sektoren ein höherer Anteil an Nein-Stimmen verzeichnet wurde. Bei GAM beispielsweise wurde die variable Vergütung der Geschäftsleitung von den Aktionären klar abgelehnt. Auch bei Credit Suisse, wo der Druck der Aktionäre zu einer Senkung um 40% der Geschäftsleitungs-Boni führte, kam der Widerstand klar zum Ausdruck. «Der fehlende Zusammenhang zwischen dem Vergütungsniveau der Führungsinstanzen und der Unternehmensleistung wird von den Aktionären mit Recht immer häufiger sanktioniert», stellt Vincent Kaufmann fest.
 
In seiner letzten Session begann das Parlament die Beratung des vom Bundesrat vorgelegten Entwurfs zur Revision des Aktienrechts. Ziel dieses Entwurfs ist die Anpassung des Unternehmensrechts an die Marktgegebenheiten, vor allem infolge der Umsetzung der Minder-Initiative. Ethos hat in diesem Zusammenhang mehrere Empfehlungen zur Verbesserung der Aktionärsrechte abgegeben, insbesondere bezüglich der Kapitalstruktur, der Vergütungen und des Verwaltungsrats. Dr. Dominique Biedermann, Präsident des Ethos Stiftungsrats, dazu: «Diese Gesetzesrevision ist ausschlaggebend, um den Aktionären die Anwendung der Good-Governance-Regeln durch die Schweizer Unternehmen zu garantieren».
 
Insbesondere fordert Ethos die Wiedereinführung des im Vorentwurf enthaltenen Verbots, prospektiv über die variable Vergütung der Geschäftsleitung abzustimmen. Um den Aktionären eine bessere Kontrolle allfälliger Exzesse zu ermöglichen, ist es notwendig, dass sie über die effektiven variablen Vergütungen entsprechend der Resultate des Unternehmens abstimmen können. Im Fall der Generalversammlung der Credit Suisse z.B. war es die Mobilisierung der Aktionäre – nach den massiven Verlusten des Unternehmens – gegen die Boni 2016, über die retrospektiv abgestimmt wurde, welche die Geschäftsleitung dazu veranlasste, ihre Boni freiwillig um 40% zu reduzieren. Eine prospektive Abstimmung an einer vorhergehenden Generalversammlung dagegen wäre einem Blankocheck gleichgekommen, den die Aktionäre nicht mehr hätten anfechten können.
 
 

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