Eine neue Studie der Wirtschaftsallianz «Wärmeinitiative
Schweiz» zeigt, dass ein kompletter Ausstieg aus der fossilen
Wärmeversorgung bis 2050 möglich und finanzierbar ist. Die Wärmewende
kann gelingen, wenn die Rahmenbedingungen entsprechend gesetzt werden, so die Medienmitteilung der Wärmeinitiative.
Das aktuell im Parlament diskutierte CO2-Gesetz gehe in die richtige Richtung.
50% des Schweizer Endenergieverbrauchs wird für die Produktion von
Wärme aufgewendet, 70% davon entfallen auf fossile, nicht erneuerbare
Quellen[1].
Die Wärmeinitiative Schweiz (WIS), ein Zusammenschluss von Verbänden
und Unternehmen der Wirtschaft der erneuerbaren Energien und der
Energieeffizienz hat eine gross angelegte Studie in Auftrag gegeben, die
zeigt, wie eine vollständige Dekarbonisierung des Wärmesektors bis 2050
gelingen kann. Unabhängig davon, ob die politischen Rahmenbedingungen
mehr auf Anreize oder auf Vorschriften setzen – in beiden Szenarien ist
die vollständige Umstellung auf eine erneuerbare und CO2-neutrale
Wärmeversorgung in der Schweiz möglich. Bei beiden Szenarien ist ein
ähnlicher Technologie- und Energiemix erforderlich. Dabei kommt nebst
der Effizienzsteigerung auf allen Ebenen vor allem dem Wechsel von
fossilen auf erneuerbare Energien eine hohe Bedeutung zu. Ein solcher
Wechsel ist in den meisten Bereichen (Haushalte, Industrie, Gewerbe)
kosteneffizient umsetzbar.
Effizientere Gebäude und ein breiter Technologiemix sind gefragt: Die
Schweiz verbraucht aktuell rund 100 TWh Energie für Wärme. Die Autoren
haben errechnet, dass sich der Energiebedarf dank
Energieeffizienz-Massnahmen wie Gebäudeerneuerungen, Ersatz- und
Neubauten sowie Dämmvorschriften auf 80 – 90 TWh reduzieren lässt. Die
Analysen der Studie zeigen, dass die Schweiz ein Potenzial von
mindestens 100TWh thermischer erneuerbarer Energie hat. Bei den
Haushalten stellen effiziente elektrische Wärmepumpen den grössten
Anteil an der Wärmeversorgung. Bei den Dienstleistungsgebäuden, also
Büro- und Schulgebäuden, Läden, Spitälern etc., übernehmen Nah-, Umwelt-
und Fernwärme sowie Holz den Löwenanteil der Wärmeversorgung. In der
Industrie dagegen stammt die Wärme in einer erneuerbaren und CO2-neutralen
Zukunft aus Nah- und Fernwärme sowie dem Wechsel auf Biogas und direkte
Stromanwendungen. Letztere sowie dezentrale Wärmepumpen in Gebäuden und
grosse Wärmepumpen bei der Nah- und Fernwärme führen auch zu einer
erhöhten Stromnachfrage. Diese wird teilweise kompensiert durch den
Wegfall von Elektroheizungen und -boilern sowie durch
Stromeffizienzgewinne bei Gebäudetechnik, Geräten und Anlagen. Der
Netto-Mehrbedarf lässt sich über den Zubau an Photovoltaik, die Nutzung
von WKK-Anlagen auf Basis von Biomasse, die Optimierung und den Zubau
von Speicherkapazitäten sowie den Import von Windstrom bereitstellen
lässt.
Betrachtet man alle drei Sektoren gemeinsam, zeigen die
Szenarien deutlich: Sämtliche erneuerbare Energiequellen sind nötig, um
das Netto-Null-Ziel bis 2050 zu erreichen: Umweltwärme aus Luft,
Gewässern, Erdreich und Geothermie, Abwärme aus KVA und ARA, Biomasse in
Form von Holz und Biogas sowie erneuerbarer Strom zum Antrieb der
Wärmepumpen. Keine der Technologien dominiert deutlich. Keine steuert
mehr als 20% zur Deckung der Wärmenachfrage bei.
Finanzierbare Wärmewende: Die Dekarbonisierung des
Wärmemarktes führt in der Übergangsphase 2020 bis 2050 netto zu
direkten und indirekten Kosten von jährlich rund 1.5 Mrd. CHF. Darin
enthalten sind nicht nur die direkten Investitionen, sondern auch die
Aufwendungen bei den Netzen, bei der Speicherung und im Industriesektor.
Diese Vollkostenrechnung berücksichtigt demnach alle direkten und
indirekten Effekte. Im Vergleich zu den rund 13 Milliarden Franken, die
die Schweiz jährlich für den Import fossiler Brennstoffe zahlt, sind die
1.5 Milliarden Franken eine sinnvolle Investition, die für eine
zusätzliche inländische Wertschöpfung sorgt. Für die Wirtschaft als
Ganzes bringt die Dekarbonisierung des Wärmemarktes eine Zunahme der
Wertschöpfung. Die Anzahl der Beschäftigten nimmt in beiden Szenarien
insgesamt um gut 4000 Vollzeitäquivalente zu.
Neues CO2-Gesetz stellt die Weichen richtig: Die
Wärmewende ist machbar und wirtschaftlich tragbar. Damit sie gelingen
kann, müssen auf politischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher
Ebene verschiedene Massnahmen und Instrumente beschlossen werden. Das
neue CO2-Gesetz, wie es aktuell im Parlament diskutiert wird,
geht in die richtige Richtung. Längerfristig sind aber weitere
Massnahmen notwendig. So empfehlen die Autoren eine schrittweise
Erhöhung der CO2-Abgabe bis 2030 auf 300CHF/t CO2.
Diese Erhöhung soll an ein vorausschauendes Verbot fossiler Heizungen
gekoppelt werden (befristete Betriebsbewilligung). Das Gebäudeprogramm
und damit die finanzielle Förderung von Massnahmen an der Gebäudehülle
und in der Gebäudetechnik soll weiter ausgebaut werden. Die
Energieeffizienz von Gebäuden gilt es weiter zu steigern. Den Kantonen
und Gemeinden empfehlen die Autoren ihre Energiekonzept-Planungen
konsequent auf das Netto-Null Ziel auszurichten und diese verbindlich
auszugestalten. So können die wichtigen Grundlagen für den Ausbau von
Nah- und Fernwärmenetzen geschaffen werden. Thermische Netze sind dort,
wo sie verfügbar sind, zentral für die Dekarbonisierung des
Wärmesektors. Mit Massnahmen wie rollierenden Fonds, zinslosen Darlehen
oder Investitions- und Risikogarantieren können Kantone den Ausbau
weiter fördern. Damit kann es gelingen, zusammen mit den lokalen
Energieversorgungsunternehmen die Energiewende zu schaffen.
Weitere Informationen sowie die Studie siehe Website www.waermeinitiative.ch.
[1] Gesamtenergiestatistik BFE 2018, Statistik der erneuerbaren Energien BFE 2017
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