Der Stromsektor der Europäischen Union EU emittierte im vergangenen Jahr zwölf Prozent weniger CO2 als 2018. Der Anteil Erneuerbarer Energien an der Stromproduktion stieg EU-weit auf einen Rekordwert von 35 Prozent. Das zeigt eine Analyse von aktuellen Stromdaten durch Agora Energiewende und Sandbag.
Die Treibhausgasemissionen der Kraftwerke in der Europäischen Union sind im vergangenen Jahr so stark zurückgegangen wie nie zuvor seit 1990. Sie sanken um 120 Millionen Tonnen CO2 im Vergleich zu 2018, das entspricht einem Rückgang um 12 Prozent. Der Grund dafür ist ein Einbruch der Stromerzeugung von Stein- und Braunkohlekraftwerken: Sie verminderte sich EU-weit um beinahe ein Viertel und erreichte ein Rekordtief. Dazu kam es, weil der Preis für den Ausstoß von Treibhaugasen im Jahr 2019 auf rund 25 Euro je Tonne CO2 stieg, wodurch CO2-intensiver Kohlestrom teurer als Strom aus Erdgas, Atomstrom und Erneuerbaren Energien wurde. Der wegfallende Kohlestrom wurde je zur Hälfte durch Strom aus Gaskraftwerken und Strom aus Erneuerbaren Energien ersetzt. Der Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung wuchs EU-weit im Jahr 2019 auf 34,6 Prozent, er lag damit um 1,8 Prozentpunkte höher als im Jahr 2018. Windkraft- und Solarstromanlagen lieferten damit erstmals mehr Strom als Kohlekraftwerke. Das zeigt der Jahresrückblick 2019 auf das EU-Stromsystem, den Agora Energiewende jetzt gemeinsam mit dem britischen Think Tank Sandbag vorgestellt hat.
Zu
beobachten war der Rückgang der Kohleverstromung in allen EU-Ländern,
in denen Kohlekraftwerke betrieben werden. Insgesamt sank die Menge an
Kohlestrom um 24 Prozent beziehungsweise 150 Terawattstunden. Dabei
brach die Stromerzeugung von Steinkohlekraftwerken im Vergleich zu 2018
europaweit um 32 Prozent ein, die Braunkohleverstromung nahm um 16
Prozent ab. Auf Deutschland, Spanien, die Niederlande, das Vereinigte
Königreich und Italien zusammen entfielen zusammen 80 Prozent des
Rückgangs in der Steinkohleverstromung. Bei der Braunkohle sind fast
zwei Drittel des Rückgangs allein auf Deutschland und Polen
zurückzuführen. Kernkraftwerke verzeichneten einen leichten Rückgang um 1
Prozent. Gaskraftwerke waren die einzigen konventionellen
Stromerzeuger, bei denen die Stromproduktion anstieg und zwar um 12
Prozent. „Europa
legt weltweit eine einzigartige Geschwindigkeit bei der Ablösung von
Kohlestrom durch Wind- und Solarenergie an den Tag. Das hat dazu
geführt, dass die CO2-Emissionen des Stromsektors im letzten
Jahr so schnell wie nie zuvor gesunken sind", sagt Dave Jones, Analyst
für den europäischen Stromsektor bei Sandbag.
Die Stromproduktion von Windkraft- und Solaranlagen wuchs um 64 Terawattstunden gegenüber 2018 und übertraf mit insgesamt 569 Terawattstunden erstmals die Mengen an Kohlestrom um gut 100 Terawattstunden. Auch aufgrund eines guten Windjahres lieferten Windkraftanlagen 14 Prozent mehr Strom als im Vorjahr. Die Solarstromproduktion nahm um 7 Prozent zu. Infolgedessen stieg der Anteil von Solar- und Windstrom am Strommix in allen EU-Mitgliedsstaaten mit Ausnahme von Tschechien. Die Stromerzeugung aus Wasserkraft ging hingegen aufgrund von anhaltender Trockenheit um gut sechs Prozent zurück. Die Trockenheit machte besonders im Juli auch Kernkraftwerken zu schaffen, die ihre Kühlung über Flusswasser bewerkstelligen. Niedrigere Flusspegel behinderten gleichzeitig die Kohlelieferungen an Kraftwerke auf dem Wasserweg.
Bei der Windkraft kamen EU-weit Anlagen mit einer Leistung von 16,8 Gigawatt hinzu – der Zubau gegenüber 2018 wuchs damit um 5,1 Gigawatt. Bei der Photovoltaik war sogar eine Verdoppelung des Zubaus von 8,2 Gigawatt im Jahr 2018 auf 16,7 Gigawatt im vergangenen Jahr zu verzeichnen. „Trotz der positiven Entwicklung muss das Zubautempo noch weiter beschleunigt werden“, sagt Matthias Buck, Leiter Europäische Energiepolitik bei Agora Energiewende. Denn bis 2030 soll ein knapp ein Drittel der Gesamtenergie in der EU aus Erneuerbaren Energien stammen, hierfür ist ein Wachstum von 97 Terawattstunden Strom jährlich bis 2030 nötig – also 33 Terawattstunden mehr als 2019.
„Den Rückgang der Treibhausgasemissionen in der EU im vergangenen Jahr verdanken wir größtenteils dem CO2-Preis,
der 2019 wieder ein Niveau erreicht hat, bei dem die klimaschädlichen
Energieträger vom Markt verdrängt werden“, sagt Buck. „Damit wir
dauerhaft Klimaschutz sehen, ist es wichtig, dass der Preis für CO2
das aktuelle Niveau mindestens hält.“ Über den Zertifikatshandel legt
die EU die Menge an Treibhausgasemissionen fest, die in der Energie- und
Industriewirtschaft sowie im innereuropäischen Flugverkehr ausgestoßen
werden dürfen. Allerdings werden aktuell etwa 300 Millionen Zertifikate
pro Jahr mehr ausgegeben, als verbraucht. „Damit der Emissionshandels
weiterhin zum Klimaschutz beiträgt und Investitionssignale für
Erneuerbare Energien sendet, sollte die EU die Menge der jährlich
ausgegebenen Zertifikate stärker als bislang vorgesehen verringern. Das
sollte ein Kernelement der Debatte um eine Erhöhung der europäischen
Klimaschutzziele für 2030 werden“, sagt Buck.
Die
Länder mit dem ambitioniertesten Zubau von Windkraft- und Solaranlagen
verzeichneten den stärksten Abfall der Börsenstrompreise – allen voran
das Vereinigte Königreich, Irland und Spanien. „Bei der Entwicklung der
Börsenstrompreise sehen wir, dass die Länder, die Erneuerbare Energien
ausbauen, unabhängiger von Importen, fossilen Rohstoffpreisen und
natürlich dem CO2-Preis sind“, sagt Buck.
Für 2020 halten Agora Energiewende und Sandbag eine weiterhin positive Entwicklung für möglich. „Der Abwärtstrend beim Kohlestrom wird anhalten. 21 europäische Mitgliedstaaten und das Vereinigte Königreich haben inzwischen Kohleausstiegspläne verabschiedet oder aber gar keine Kohlekraftwerke im inländischen Strommix, in zwei weiteren Ländern wird der Kohleausstieg diskutiert. Gesellschaftliche Forderungen nach schnelleren Fortschritten beim Klimaschutz haben das Jahr 2019 geprägt, dieses Jahr wird Europa seine Klimaschutzziele für 2030 erhöhen“, sagt Buck. „Zeitgleich sinken die Preise für Erneuerbare Energien immer weiter und bei richtiger Rahmensetzung wird der CO2-Preis weiterhin auf einem substantiellen Niveau bleiben. Das postfossile Zeitalter kommt also, darauf müssen die sich EU-Mitgliedstaaten jetzt einstellen.“
„Europa hat die wichtige Aufgabe weltweit ein Vorbild zu werden, wie der Abschied von Kohle schnell und vollständig realisiert werden kann. Für einen vollständigen europäischen Kohleausstieg fehlen noch die Ausstiegspläne der Braunkohleländer Polen, Tschechien, Rumänien und Bulgarien. Braunkohlekraftwerke sind inzwischen vom Vermögenswert zur Belastung geworden, seitdem die niedrigeren Strompreise und die höheren CO2-Preise im Jahr 2019 ihre Wirtschaftlichkeit zunichte gemacht haben“, sagt Dave Jones von Sandbag.
Die Studie „The European Power Sector in 2019” steht unter www.agora-energiewende.de/en zum Download bereit. Sie umfasst 48 Seiten und enthält zahlreiche Grafiken und Tabellen. Die Grafiken stehen zur freien Verwendung in verschiedenen Dateiformaten und www.agora-energiewende.de/en zur Verfügung.
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Europa müsste an sich nur ein lückenloses Cap&Trande-System einführen, könnte so den CO2-Absenkungspfad quasi gesetzlich vorgeben und die Substitution dem Markt überlassen. Damit würden sich Substitutionsprozesse mit den niedrigsten CO2-Reduktionsgrenzkosten durchsetzen.
AntwortenLöschenDie finanzielle Förderung der NEE (insb. Wind und Solar) hat aber zur Folge, dass die Börsenpreise des Stroms in der Tat sinken - immer häufiger ergeben sich ja wegen NEE-Überproduktion sogar negative Börsenpreise, während aber die Endkunden immer höhere Stromrechnungen zu bezahlen haben. Sie bezahlen gleich viel oder weniger für die Energie, aber imer mehr für Abgaben, Netzentgelte u. dgl. mehr.
Mit steigendem Anteil an itermittierendem NEE-Strom (Wind und Solar) stellt sich das Problem, dass die Versorgungslücken durch Dunkelflauten leider nicht kleiner (im Gegenteil) oder kürzer werden. Dieses Problem muss gelöst werden, indem genügend Backup bereitgehalten wird (v.a. Gaskraftwerke, aber auch Kohle) oder indem der Verbrauch der schwankenden Produktion angepasst wird (was zu hhen volkswirtschaftlichen Folgekosten führen wird).
Die höchsten Verbraucherpreise (Stromrechnungen) in Deutschland und Dänemark sprechen eine Sprache, die Herr Rehsche - bei allem Respekt für seinen Ethusiasmus - seinen Lesern auch noch übersetzen sollte. Wie kommt es, dass die Länder mit den höchsten NEE-Versorgungsanteilen bei schwindsüchtigen Börsenpreisen ihren Verbrauchern immer höhere Rechnungen stellen müssen?
Korrigenda: es muss heissen: Immer statt imer.... und intermittierend statt itermittierend...und hohen stat hhen. Sory, M.S.
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