Dienstag, 21. April 2020

100 Prozent erneuerbar ist weltweit möglich

Die neue Studie der Energy Watch Group und LUT University skizziert als erste ihrer Art ein 1,5°C Szenario mit einem kostengünstigen, sektorenübergreifenden und auf hoher Technologievielfalt beruhenden globalen 100% Erneuerbare-Energien-System, welches ohne negative CO2-Emissionstechnologien auskommt. 

Die wissenschaftliche Modellierungsstudie simuliert eine vollständige weltweite Energiewende in den Bereichen Strom, Wärme, Verkehr und Meerwasserentsalzung bis 2050. Sie basiert auf viereinhalb Jahren Forschung und Analysen von Datenerfassungen und technischen und finanziellen Modellierungen durch 14 Wissenschaftler. Dadurch wird bewiesen, dass die Wende hin zu 100% Erneuerbaren Energien mit dem heutigen, konventionellen fossil-nuklearen System wirtschaftlich konkurrenzfähig ist und die Treibhausgasemissionen im Energiesystem noch vor 2050 auf Null reduziert werden. 

„Der Bericht bestätigt, dass eine Wende hin zu 100% Erneuerbaren Energien in allen Sektoren möglich und nicht teurer ist als das heutige Energiesystem", sagte Hans-Josef Fell, ehemaliger Abgeordneter des Deutschen Bundestages und Präsident der Energy Watch Group, im Vorfeld der Veröffentlichung. „Es wird gezeigt, dass die ganze Welt auf ein emissionsfreies Energiesystem umstellen kann. Deshalb können und sollten alle politischen Kräfte weltweit viel mehr für den Klimaschutz tun als derzeit anvisiert.“ Dank des erarbeiteten Modells und der umfangreichen vorhandenen Datenbasis können EWG und LUT nun auch nationale Pläne für den Umstieg auf 100% Erneuerbare Energien entwickeln, die genau auf den jeweiligen Kontext der einzelnen Länder zugeschnitten sind, so Fell weiter.

„Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass in allen Ländern die aktuellen Ziele des Pariser Klimaabkommens beschleunigt werden können und sollten", sagte Dr. Christian Breyer, Professor für Solarwirtschaft an der finnischen Universität LUT. „Eine Wende hin zu 100% sauberen, erneuerbaren Energien ist sehr realistisch – schon jetzt, mit den heute verfügbaren Technologien.“ Prof. Dr. Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hob die wirtschaftliche Rentabilität der Erneuerbaren Energien hervor: „Die Studie zeigt eindrucksvoll, dass eine weltweite Umstellung auf erneuerbare Energien nicht nur machbar, sondern auch wirtschaftlichen sinnvoll ist.“ Auch David Wortmann, Initiator der Eco Innovation Alliance und Gründungsmitglied von Entrepreneurs For Future forderte von der Politik innovationsfreundliche Rahmenbedingungen und betonte, dass „eine wirtschaftlich profitable Energiewende für uns schon längst kein Mythos mehr“ ist. Schnellstmöglichen Handlungsbedarf von Seiten der Politik verlangte auch Franziska Wessel von Fridays For Future: „Diese Studie zeigt was möglich ist, wenn unsere Politikerinnen und Politiker zum Handeln bereit sind. Wir – Fridays For Future – fordern, dass bereits 2035 auf 100% Erneuerbare Energien umgestellt werden muss.“

Die Studie schließt mit politischen Empfehlungen zur raschen Einführung Erneuerbarer Energien und emissionsfreier Technologien. Zu den wichtigsten in dem Bericht festgelegten Maßnahmen zählen die Förderung von Sektorenkopplung, privaten Investitionen (die am besten durch feste Einspeisevergütungen angereizt werden), Steuervergünstigungen und rechtlichen Privilegien bei gleichzeitiger Einstellung von Subventionen für Kohle und fossile Brennstoffe. Mit der Umsetzung starker politischer Rahmenbedingungen, so der Bericht, ist eine Wende hin zu 100% Erneuerbaren Energien bereits vor 2050 möglich.

Einige Schlüsselerkenntnisse der Studie:
  • Die Umstellung auf 100% Erneuerbare Energien erfordert eine umfassende Elektrifizierung in allen Energiesektoren. Die gesamte Stromerzeugung wird das Vier- bis Fünffache der Stromerzeugung von 2015 ausmachen. Dadurch wird der Stromverbrauch im Jahr 2050 mehr als 90% des Primärenergiebedarfs betragen. Gleichzeitig wird der Verbrauch fossiler und nuklearer Energierohstoffe in allen Sektoren vollständig eingestellt.
  • Die weltweite Primärenergiegewinnung im 100% Erneuerbare-Energien-System wird aus dem folgenden Mix an Energiequellen bestehen: Solarenergie (69%), Windkraft (18%), Wasserkraft (3%), Bioenergie (6%) und Geothermie (2%).
  • Wind- und Solarenergie machen bis 2050 96% der gesamten Stromversorgung aus erneuerbaren Energien aus. Erneuerbare Energien stammen nahezu ausschließlich aus dezentraler lokaler und regionaler Erzeugung.
  • 100% Erneuerbare Energien sind günstiger: Die Energiekosten für ein vollständig nachhaltiges Energiesystem sinken von 54 €/MWh 2015 auf 53 €/MWh 2050.
  • Die jährlichen Treibhausgasemissionen im Energiesektor sinken durch die Umstellung in allen Sektoren kontinuierlich von rund 30 Gt-CO2-Äq. im Jahr 2015 auf Null bis 2050.
  • Ein zu 100% erneuerbares Stromsystem wird weltweit 35 Millionen Menschen beschäftigen. Die rund 9 Millionen Arbeitsplätze im weltweiten Kohlebergbau aus dem Jahr 2015 werden bis 2050 komplett eingestellt. Diese werden durch mehr als 15 Millionen neue Arbeitsplätze im Bereich der Erneuerbare-Energien-Branche überkompensiert. 

    Studie und Zusatzmaterial: http://energywatchgroup.org/globales-energiesystem-mit-100-erneuerbaren-energien
     
    Über die Studie
    Die von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) und der Stiftung Mercator mitfinanzierte Studie „Globales Energiesystem mit 100% Erneuerbaren Energien“ ist eine der modernsten Modellierungen, entwickelt von der LUT University, und berechnet einen kostenoptimalen Mix von Technologien auf Grundlage lokal verfügbarer erneuerbarer Energiequellen. Dabei wird ein kosteneffizienter Übergang hin zu einer erneuerbaren Energieversorgung für die ganze Welt, aufgeteilt in 145 Regionen, mit stündlicher Auflösung für ein gesamtes Referenzjahr ermittelt. Das Szenario der globalen Energiewende wird in fünfjährigen Zeiträumen von 2015 bis 2050 durchgeführt. Die Ergebnisse werden in neun große Weltregionen zusammen- gefasst: Europa, Eurasien, MENA, Südsahara-Afrika, SAARC, Nordostasien, Südostasien, Nordamerika und Südamerika.

    Quelle: energywatchgroup.org 

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