«Tschernobyl» hat
das Vertrauen in die Atomtechnologie weltweit erschüttert: Die nördliche
Hemisphäre wurde durch den AKW-Unfall mit der Energie von über 200
Hiroshima-Atombomben massiv verstrahlt. Hauptbetroffene waren – und sind
immer noch – die Einwohnerinnen und Einwohner der Ukraine,
Weissrusslands und weiterer Staaten der ehemaligen UdSSR. Aber auch die
von Tschernobyl weit entfernte Schweiz ist vom radioaktiven Fallout
betroffen: Krebstote, Krankheiten und erhöhte Säuglingssterblichkeit
sind die Folgen. PSR/IPPNW und die Schweizerische Energie-Stiftung SES
fordern, dass die Schweizer Behörden die langfristigen Folgen der
ionisierenden Strahlung anerkennen und in der Strahlenschutzgesetzgebung
verankern müssen.
Wer sind die Strahlenopfer? Gemäss Bundesamt für Gesundheit BAG liegt die Gesamtdosis der von der
Schweizer Bevölkerung infolge des Unfalls von Tschernobyl vor allem mit
der Nahrung aufgenommenen ionisierenden Strahlung bei rund 3500 Sievert
(ca. 0.5 Millisievert pro Person). Manche ernsthafte Auswirkungen auf
die Gesundheit treten erst nach vielen Jahren auf. Im Gegensatz zu
anderen Unfällen sind die Strahlenopfer nicht individuell bekannt – ihre
Zahl lässt sich jedoch mit sorgfältigen epidemiologischen Studien
abschätzen. So zeigen unabhängige wissenschaftliche Untersuchungen der
letzten zwei Jahrzehnte, dass auch in der Schweiz von mehreren Tausend
Strahlenopfern ausgegangen werden muss. Dies wird jedoch von den auch
für unser Land massgebenden internationalen Strahlenschutzbehörden noch
nicht adäquat berücksichtigt.
Strahlenbedingte schwere Krankheiten in der Schweiz: Bereits 2005 hat das BAG bekanntgegeben, der GAU von Tschernobyl würde
in der Schweiz zu Hunderten Krebserkrankungen führen. Aufgrund der
heutigen Kenntnisse muss dabei von mindestens 400 Krebstoten sowie
zusätzlich von ebenso vielen Toten durch Herzinfarkte und Hirnschläge
als längerfristigen Strahlenfolgen ausgegangen werden. Die Häufung
weiterer strahlenbedingter schwerer Krankheiten wurden erstmals in ihrer
Tragweite bei den stark strahlenexponierten 800’000 Aufräumarbeitern
der AKW-Ruine erkannt.
Früh- und Säuglingssterblichkeit erhöht: Neuere Studien zeigen aber auch, dass als Folge von Tschernobyl
zusätzlich Störungen der Fortpflanzung nachgewiesen werden können, was
jedoch noch kaum bekannt ist. Für die Schweiz lässt sich wie auch im
übrigen Europa eine Zunahme der Frühsterblichkeit nachweisen. Es findet
sich ferner eine statistisch signifikante Zunahme der in ihrem ersten
Lebensjahr verstorbenen Kinder: Die Säuglingssterblichkeit hat in der
Schweiz ab 1987 um über 10% zugenommen. Nur schon in den ersten sieben
Jahren – d.h. den Jahren mit der höchsten Strahlenbelastung nach dem
AKW-Unfall in Tschernobyl – entspricht dies zusätzlich über 400 vor
ihrem ersten Geburtstag verstorbenen Kindern. Weitere Untersuchungen
weisen nach, dass seit 1986 über 3200 Schwangerschaften fehlen – am
ehesten als Folge von Frühaborten.
Diese Resultate sind
Ausdruck der genetischen Risiken sogenannt niedriger Strahlendosen –
definiert als eine Dosis von weniger als 100 Millisievert pro Person.
Diese Beobachtungen bestätigen, dass es keine unbedenkliche
Strahlendosis gibt, sei sie noch so klein. PSR/IPPNW und die SES fordern
das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK
dazu auf, diese neueren Forschungsresultate in die
Strahlenschutzgesetzgebung einfliessen zu lassen.
» Download Ergänzende Hintergrundberichte (.pdf):
- Mehr Totgeburten und erhöhte Säuglingssterblichkeit: Genetische Schäden durch ioni-sierende Strahlung nach Tschernobyl werden auch in der Schweiz offensichtlich
- Strahlungsbedingte Schäden im Erbgut nach den AKW-Unfällen in Tschernobyl 1986 und Fukushima 2011
- Voraussetzungen und Ergebnisse des Krisenmanagements von Tschernobyl - Bericht zum 35. Jahrestag des Tschernobyl-Unfalles
- Tschernobyl: 35 Jahre später - Erinnerungen für die Zukunft
- Eine handgestrickte nukleare Katastrophe – sie ist auch in der Schweiz möglich
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