Mittwoch, 22. Juli 2020

Wasserstoff – eben doch!

Die Technologie der Wasserstoffwirtschaft ist die ideale Ergänzung zu den Neuen Erneuerbaren Energien, hierzulande insbesondere zur Photovoltaik, der Stromerzeugung durch Sonnenenergie.

In Deutschland fährt bereits ein mit
Wasserstoff betriebener Zug
So weit ist es schon: Nicht nur eine Fachzeitschrift der Solarenergie (pv magazine Nr.1/20) widmete unlängst ein ganzes Heft dem Wasserstoff. Im Editorial schreibt dort Michael Fuhs: «Wasserstoff ist eigentlich ein idealer Energieträger. Es gibt faszinierende Entwicklungen, durch die es vorstellbar wird, dass er eine wichtige Rolle bei der Energiewende einnimmt. Wir haben in der Redaktion lange diskutiert, ob wir uns diese Lust auf Wasserstoff von der Bundesregierung vermiesen lassen wollen.» Die letzte Bemerkung bezieht sich auf eine innerdeutsche Ausmarchung, gemäss der der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmeier in seiner Version der Wasserstoffwirtschaft vergessen zu haben scheint, dass dieser nur Sinn macht für die Energiewende, wenn die Produktion mit Erneuerbaren Energien erfolgt. Was auch schon auf zumindest eine Crux der Technologie und der politischen Auseinandersetzung hinweist.

Eine Schweizer Fachzeitschrift hat unterdessen nachgezogen: «Erneuerbare Energien», herausgegeben von der Schweizerischen Vereinigung für Sonnenenergie (SSES) und vom Fachverband Swissolar, widmet ihre ganze neueste Nummer der Wasserstoffwirtschaft (Nr.3 / Juni 2020) – und lässt nur ein Fazit zu: Da tut sich was! Und zwar auf verschiedensten Ebenen. Sie alle zusammengenommen lassen erwarten, dass ein Durchbruch nun doch, nach vielen Jahren des Zauderns auf vielen Ebenen, unmittelbar bevorsteht.

Zweifel nähren sich immer noch aus Überlegungen zu den Kosten – und hierzu zeigen mehrere Beiträge im erwähnten Heft Schweizer Provenienz, dass die Entwicklung plötzlich rasant verläuft. Das erinnert schon fast (aber nur fast), an die Kostendegression bei der Photovoltaik – diese erreichte in den vergangenen zehn Jahren ja den Faktor «fünf». So rassig wird’s nicht gehen beim Wasserstoff, aber eine Halbierung steht in Aussicht. 

Wirtschaftlichkeit vorausgesetzt, würde auch eine Crux der Erneuerbaren Energien angegangen – der unregelmässige Anfall von Sonnenschein und Wind und damit dessen Speicherbarkeit möglich. Es liesse sich also für den Fall Schweiz jene gross dimensionierte Solarwirtschaft aufbauen, die Swissolar-Präsident und SP-Nationalrat Roger Nordmann in seinem Buch «Sonne für den Klimaschutz» gefordert hat. Um genügend (Solar-) Strom auch im Winter zu produzieren, bräuchte es hierzulande Anlagen mit einer Kapazität von gegen 50 Gigawatt Leistung. Die allerdings im Sommer grosse Mengen an Überschussstrom produzieren würden. Womit der Wasserstoff ins Spiel käme.

Denn der überschüssige Strom erlaubte eine trotz Umwandlungsverlusten lohnende Transormation von Solarenergie in Wasserstoff – der dann wiederum (wohlgemerkt eben CO2-frei, deshalb auch Etikettierung «grüner» Wasserstoff) entweder für den Antrieb im Verkehr, für die Beheizung von Gebäuden oder gar zur Rückverstromung zur Verfügung stünde. Letzterer Schritt wiederum unter nicht unerheblichen Umwandlungsverlusten, aber bei technologischen Fortschritten weiterhin lohnend – zumal diese dann eben im sonnenarmen Winter als Ausweg aus der Winterstromlücke zur Verfügung stünde.

CH-Initiative - bald 1600 LKW auf Schweizer
Strassen, betrieben mit Wasserstoff
Interessanter Aspekt der Entwicklung: Während die Europäische Union unlängst ein milliardenschweres quasi staatliches Wasserstoffprogramm in Gang setzte, steht in der Schweiz privatwirtschaftliche Initiative im Vordergrund. Der Förderverein H2 Mobilität will 1600 Wasserstoff-Lastwagen auf die Strasse bringen und damit deren Alltagsfähigkeit im Verkehrssektor belegen (unter anderen mit Beteiligung von Coop Schweiz). Zentral wird auch bei diesem Grossversuch sein, den Wasserstoff mit erneuerbaren Energien zu produzieren – die aber erst einmal kräftig ausgebaut werden müssen.

Die Photovoltaik wird also unvermittelt zur matchentscheidenden Partnerin der Wasserstoffwirtschaft. Zumal besonders sonnenreiche Gebiete der Welt – etwa die Sahara oder die arabische Halbinsel – doch noch einen Weg fänden, ihren Sonnenreichtum in wirtschaftlich Zählbares umzuwandeln – und im Fall Arabiens erst noch einen Weg aus der Ölfalle fänden. Im kleineren gedacht, sind in der Schweiz neben dem LKW-Projekt bauliche Vorhaben  schon umgesetzt oder angedacht (auch ein Wasserstoff-Tankstellen-Netz). Das erste gänzlich energieautarke Mehrfamilienhaus in Brütten (ZH) verwendet Wasserstoff zur Rückverstromung. Und der Berliner Energiesystem-Hersteller wie jener des Picea-Systems verspricht dank Wasserstoff eine Versorgung mit selbst produziertem Strom über das ganze Jahr (unter anderem schon in einem Einfamilienhaus in St.Gallen installiert).

Bleibt die Ausgangsfrage der Preisentwicklung der Produktion von Wasserstoff. Wie ein weiterer Beitrag in «Erneuerbare Energien» aufweist, ist zumindest IRENA, die Internationale Agentur für Erneuerbare Energien, zuversichtlich. Wasserstoff aus erneuerbaren Energien sei demnach bereits technisch tragfähig und nähere sich rasch der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit – insbesondere weil die zur Herstellung benötigten Elektrolyseure bald von Megawatt-Kapazitäten auf Gigawatt skaliert werden könnten, immerhin das 1000fache an Leistung. 

Einzelne Beiträge aus Erneuerbare Energien zum freien Download im Internet unter (ganze Zeitschrift nur für Mitglieder der SSES): https://www.sses.ch/de/home/news/zeitschrift/aktuelle-ausgaben/


© Text GuntramRehsche / Solarmedia

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