Dienstag, 12. November 2019

Rezepte für Energiewende

Die Schweizerische Energie-Stiftung SES präsentierte am Montag eine neue Studie von Rudolf Rechsteiner, die verschiedene Massnahmen zur Stärkung der Stromerzeugung mit erneuerbaren Energien vorschlägt. Dies ist nötig für die Erreichung des Netto-Null-Ziels des Bundesrats. Die innovativen Vorschläge sind kostengünstig, können rasch umgesetzt werden und berücksichtigen den Schutz der Landschaft. Die Versorgungssicherheit wird so auch bei einer Elektrifizierung von Verkehr und Wärmeversorgung dank inländischer Erzeugung gestärkt.

Rechsteiners Analyse zeigt, dass Solar- und Windstrom sich in den letzten Jahrzehnten zu den günstigsten Technologien für die Stromproduktion entwickelt haben. Doch die Schweiz liegt beim Anteil Wind- und Solarstrom auf Platz 26 in Europa. 2018 sank der Zubau an neuen erneuerbaren Energien gar auf den tiefsten Stand seit Einführung der kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) vor 10 Jahren. Schweizer Energieversorger investieren vorwiegend in den europäischen Nachbarländern in neue Kraftwerke, weil die Investitionssicherheit für erneuerbare Energien dort viel besser ist. Der Ausbau neuer erneuerbarer Energien bleibt also blockiert!
  
Der Blick über die Grenzen zeigt, wie es anders ginge. Die meisten EU-Länder haben die Finanzierung neuer Kraftwerke auf wettbewerbliche Ausschreibungen mit Marktprämien umgestellt. Wenn der Preis an der Strombörse witterungsbedingt unter den wettbewerblichen Zuschlagswert fällt, erhalten die Betreiber eine Marktprämie, die sie vor Preisschwankungen schützt. Die Finanzierung neuer Kapazitäten wird dadurch entscheidend verbilligt und die Gestehungskosten insgesamt werden tiefer gehalten als in der Schweiz. Diese verfügt über einen grossen Handlungsspielraum, um die Investitionssicherheit zu verbessern. Die Konflikte um den Landschaftsschutz können entschärft werden, wenn bereits bestehende Infrastrukturen als Stellflächen für Photovoltaik zugänglich gemacht werden. «Bereits mit dem geltenden Netzzuschlag von 2,3 Rappen pro Kilowattstunde kann die Stromerzeugung im Inland gestärkt und wettbewerbsfähig gestaltet werden», so die Einschätzung von Rechsteiner. «Die im Ausland erprobten Instrumente könnten sofort eingeführt werden.»

Zur Verbesserung der Wettbewerbsposition für Solarstrom wird eine neue Gebührenordnung für die Netznutzung vorgeschlagen, die dem Verursacherprinzip besser Rechnung trägt. Der Transport von Elektrizität soll – wie bei Grossverbräuchen – nur mit den Kosten jener Netzebene belastet werden, die tatsächlich beansprucht wird. Der Kauf und Verkauf von Strom innerhalb des Verteilnetzes (Netzebene 7) würde entlastet. Der Marktwert von dezentral erzeugtem Solarstrom könnte sich so um 5 Rp/kWh verbessern.

Um mehr Standorte für grosse, kostengünstige Photovoltaik-Anlagen nutzbar zu machen, sollen bestehende Infrastrukturen einem Nutzungsrecht unterstellt werden. Die Potenziale sind gross: Dächer und Fassaden von Ställen, Lagerhallen, Parkplätzen, Lärmschutzwände, Zäune und Mauern entlang von Verkehrswegen und wo weiter. «Flächen auf Infrastrukturen der öffentlichen Hand sollten als Cluster ausgeschrieben werden. So erhalten wir billigeren Strom als aus neuen Wasserkraftwerken, auch im Winterhalbjahr», fordert Rechsteiner.

Neben der Ausgestaltung einer Strommarktordnung, die den Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung ermöglicht, gilt es auch, eine weitere politische Stellschraube anzupassen. «Die Ziele für den Ausbau der erneuerbaren Energien in der Schweiz müssen erhöht werden», fordert Felix Nipkow, Leiter Fachbereich erneuerbare Energien bei der SES. «Sie tragen den Klimazielen ungenügend Rechnung.» Bis 2035 brauche es eine Verzweieinhalbfachung der angestrebten 11,4 TWh auf 26 TWh und bis 2050 solle ein neues Ziel von 45 TWh anvisiert werden, so die Forderung der SES. Zudem gilt es, die Effizienzpotenziale besser auszunutzen: Eine 100% erneuerbare Energieversorgung soll die Messlatte setzen. Die anstehenden Revisionen des Stromversorgungs- und des Energiegesetzes bieten die politischen Hebel hierzu.

Quelle: Schweizerische Energie-Stiftung SES

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