Riesige schwimmende Solarinseln auf dem Meer, die genügend Energie produzieren, um einen CO2-neutralen
globalen Güterverkehr zu ermöglichen – was wie «Science Fiction» klingt
haben Forschende der ETH Zürich, des Paul Scherrer Instituts (PSI), der
Empa, der Universitäten Zürich, Bern und der National University of
Science and Technology (NTNU) Trondheim nun erstmals durchgerechnet, wie
sie in der jüngsten Ausgabe der Fachzeitschrift «Proceedings of the
National Academy of Sciences» (PNAS) schreiben.
So könnten die schwimmenden Solarinseln aussehen. Auf dem Schiff links
befänden sich alle notwendigen Anlagen zur Produktion von Methanol. Visualisierung: Novaton |
Forschende der ETH Zürich, des PSI und der Universitäten Zürich, Bern und der Norwegischen Universität für Forschung und Technologie (NTNU) haben gemeinsam mit einem Team der Empa diese Idee durchgerechnet und zeigen in ihrer Studie auf, das solare Methanol-Inseln langfristig genügend Treibstoff produzieren könnten, um die gesamte Mobilität CO2-neutral zu gestalten – weltweit. Inmitten der Ozeane soll aus Solarenergie (und Wasser) Wasserstoff (H2) hergestellt werden, der dann vor Ort mit aus dem Meerwasser gewonnenen CO2 zu Methanol umgewandelt wird. Dazu analysierten die Forschenden detailliert ein Szenario, das zwar noch rein hypothetisch scheint, aber bereits die Planungsgrundlagen für eine mögliche Umsetzung bietet. Ihre Resultate präsentieren sie kürzlich in der Fachzeitschrift «Proceedings of the National Academy of Sciences» (PNAS).
Ausgangspunkt
der Idee sind Solarinseln, also schwimmende Plattformen, ausgestattet
mit Photovoltaikanlagen. Da aber Solarstrom nicht gespeichert und von
dort nur schlecht abtransportiert werden kann, macht ein Solarkraftwerk
auf dem Meer keinen Sinn. Allerdings kann man aus Kohlendioxid und
Wasserstoff flüssiges Methanol (CH3OH), aber auch gasförmiges Methan (CH4)
herstellen. Die Ausgangsstoffe könnten also direkt aus dem Ozean
gewonnen beziehungsweise dort hergestellt werden, so die Idee der
Forschenden.
Es existieren bereits grosstechnische «Power-to-Gas-Anlagen, die Wasserstoff und CO2
zu Treibstoff umwandeln – unter anderem die Demonstrationsplattform
«move» auf dem Empa-Campus in Dübendorf (siehe Box unten). Daher stellt sich
die Frage: Warum damit aufs Meer? Warum nicht, wie dies bestehende
Anlagen tun, das CO2 aus der Luft gewinnen? Die Antwort ist
simpel: Die dafür benötigte Anlagenfläche für eine weltweite Versorgung
von Treibstoff wäre gewaltig. «Eine Fläche von rund 170'000 km2
wäre nötig, um den jährlichen Bedarf für den globalen Güterverkehr zu
produzieren», erklärt Andreas Borgschulte von der Empa-Abteilung
«Advanced Analytical Technologies». Das liesse sich am ehesten durch
Solaranlagen auf dem Meer realisieren; bislang ungenutzte Fläche, die
niemandem gehört. Auch auf dem Meer kann man das CO2 aus der Luft gewinnen; eine attraktive – und erst noch naheliegende – Alternative wäre aber, die rund 125-mal höhere CO2-Konzentration des Meerwassers für die «Kohlendioxidernte» auszunutzen.
In bestehenden Anlagen wird das aus der Atmosphäre gewonnene CO2 meist zur Herstellung von Methan verwendet, was auch auf den Solarinseln möglich wäre. Im Rahmen ihrer Überlegungen entschieden sich die Forschenden allerdings für die Herstellung eines flüssigen Brennstoffs, da sich dieser besser transportieren lässt. Ausserdem kann Methanol nicht nur als Treibstoff eingesetzt werden, sondern auch zur Herstellung weiterer chemischer Produkte, etwa Vorprodukte für die Polymerherstellung. Die Möglichkeiten für dessen Verwendung (und den damit erzielbaren Gewinnen) sind also wesentlich höher.
Eine
solche «Methanol-Insel» hat jedoch ihren Preis: Rund 80 Millionen
US-Dollar würde der Bau einer solchen Chemiefabrik auf dem Ozean kosten.
Diese bestünde aus rund 70 Photovoltaikinseln mit einem Durchmesser von
rund 100 m2 und einem Schiff mit den Elektrolyse- und Syntheseanlagen. Insgesamt ergäbe dies eine Fläche von rund 550‘000 m2. Doch ein einzelner Cluster genügt bei weitem nicht, um eine Null-Bilanz von CO2 zu erreichen. Insgesamt 170'000 solcher Inseln wären nötig, um so viel CO2
zu recyceln, wie zurzeit ausgestossen wird – ein utopisches Ziel, aber
eines, das es sich zu verfolgen lohnt. «Grosse Ideen sind notwendig –
Bullerbü-Lösungen versorgen nur Bullerbü, aber nicht den Rest der Welt»,
so Borgschulte.
Strom speichern über längere Zeiträume – «Power-to-Gas» und «Power-to-Liquid»
Die Empa forscht seit längerem an Wegen, Strom aus erneuerbaren
Ressourcen nicht nur zu speichern, sondern auch in flüssigen oder
gasförmigen Treibstoff umzuwandeln. Dazu befindet sich auf dem
Empa-Campus in Dübendorf unter anderem die Demonstrationsplattform «move».
Dort wird Solarstrom mit Hilfe von Elektrolyse in Wasserstoff
verwandelt, um damit Wasserstoff-Fahrzeuge zu betanken. Ebenfalls
entsteht dort synthetisches Erdgas, das in Erdgasfahrzeugen zum Einsatz
kommt. Empa-Forscher Andreas Borgschulte arbeitet mit seinem Team an
Möglichkeiten, diese Technologien weiter zu verbessern. Mehr
Informationen dazu hier.
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