Sonntag, 16. September 2018

Ökonomen laufen amok

Jeder mag sich das Seine denken, warum in diesen Tagen gleich drei altgestandene, schon pensionierte und grauhaarige Ökonomen den Erneuerbaren Energien wieder mal in die Suppe spucken. Die ganze Ablehnung gipfelt in der Herausgabe eines Buches, das die These vertritt, die Schweiz mache sich durch die Energiestrategie 2050 vom Ausland abhängig.
                                                                          
Zwei Alt-Ökonomen sehen u.a. mehr Abhängigkeit
der Schweiz und bitten, vom schlechtesten Fall
auszugehen - was gern auch für die alten CH-AKW
gelten soll....
Was wissenschaftlich und kompliziert daher kommt, erweist sich aus Sicht von Solarmedia als billiges Machwerk, weil es  wissenschaftliche Erkenntnisse überall dort vernachlässigt, wo sie nicht in die Aussagen des Machwerks passen. So vernachlässigen Silvio Borner (links im Bild, ehemals Universität Basel) und Bernd Schips (ehemals KOF-ETH) das Konzept der Opportunitätskosten, das nahelegt, dass auch ein Nichtanwenden der Erneuerbaren Energien (EE) Kosten verursacht, weil Kapazitäten neu geschaffen werden müssen. Wie hoch deren Kosten dann ausfallen, zeigt etwa Hinkley Point, das britische Atomprojekt, bei dem die Kilowattstundenpreise schon heute bei rund 13 Rappen Erzeugungskosten liegen - weit über den Kosten neuer grosser Solar- oder Windkraftwerke.

Sodann hält die Argumentation von Borner / Schips auch der Plausibilitätsprüfung nicht stand - gehen doch die allermeisten Länder der Welt Richtung EE und nicht etwa nur das auch hier wieder heftig gescholtene Deutschland. Das geschieht ganz einfach wegen der Kostendegression, der die EE besonders stark unterliegen. Sodann ist eine zentrale Aussage der Streitschrift: Marktfähig ist die Stromerzeugung mit Sonne oder Wind erst dann, wenn weder für die Produktionsanlagen noch für die produzierte Elektrizität Subventionen ausgerichtet werden. Nur für welche andere Energieform gilt denn diese Aussage? Auch die gängigen Energieformen unterliegen in der einen oder anderen Art der Subventionierung – nicht zuletzt wiederum die Atomenergie, deren ungedeckte Kosten aufzuzählen hier den Rahmen sprengt.

Und weiter behaupten die Alt-Professoren: Marktfähig ist die Stromerzeugung mit Sonne oder Wind erst dann, wenn weder für die Produktionsanlagen noch für die produzierte Elektrizität Subventionen ausgerichtet werden müssen und auf einen Einspeisevorrang verzichtet wird. Weder plan- noch steuerbar seien EE - das aber stimmt so nicht, Wetterprognosen lassen immer genauere Planung zu – und: Eben die Speicherfähigkeit kommt, wenn auch hier sicher noch Probleme zu lösen sind. Von denen die herkömmlichen Energieformen ja auch nicht zu wenige haben (Abfall- und Schadstoff-Beseitigung zum Beispiel).

Schliesslich werde es nach heutigem Erkenntnisstand ab 40% EE kritisch - nur dort sind wir ja noch lange nicht (Anteil in der Schweiz insgesamt unter 5%). Und wenn wir dann mal dort sind, gibt es wohl auch mehr Lösungen für das Problem, so es überhaupt eines war und ist. Denn gerade die Schweiz verfügt mit ihren Speicher- und Pumpkraftwerken bereits über vergleichsweise hervorragende Speicherkapazitäten. 

Fazit: Sowohl Borner und Schips wie auch der deutsche Hans-Werner Sinn, der die Speicherfrage zur Mutter aller Energieprobleme gemacht hat, gehen an den realen Gegebenheiten - und für gestandene Ökonomen besonders peinlich - auch an banalen Erkenntnissen der Ökonomie vorbei. Gekrönt wird dieser wissenschaftliche Irrweg dadurch, dass er die Folgen einer möglichen Sektorenkoppelung völlig vernachlässigt, will heissen: Solar- oder Windstrom können eben auch im Wärme- und Mobilitätsbereich eingesetzt werden. Wozu es zugegebenermassen noch heftiger politischer Anstrengungen bedarf, die die Solarwärmetagung von dieser Woche aufzeigt (siehe Solarmedia vom 13.9.18). Pikant an der ganzen bornerschen Schipe ist dann noch deren Aufforderung, man solle doch bei den Erneuerbaren Energien bitte mal vom schlechtesten Fall ausgehen und nicht vom besten – nun das machen wir gern auch mit der Atomkraft und sehen deren Meiler schon in Schutt und Asche liegen.

3 Kommentare:

  1. Lieber Herr Rehsche, vielen Dank für ihren Kommentar.
    Ich denke nicht, dass die beiden Autoren von vielen Leuten ernst genommen werden, die sich vertieft mit Energiefragen beschäftigen. Eine der zahlreichen Irreführungen im Text besteht auch darin, dass die Autoren den Kapazitätsfaktor von Wind und Sonne (1000 Stunden Vollastzeit für Sonne und 2000 Stunden Vollastzeit für Windkraft) mit der zeitlichen Verfügbarkeit dieser Energien verwechseln. Die Sonne sendet bekanntlich nicht nur 1000 Stunden Licht, sondern die Hälfte des Jahres in unterschiedlicher Stärke, insgesamt 4380 h. wer selber eine PV-Anlage besitzt, weiss das.
    Beide Autoren lassen sich übrigens seit Jahrzehnten von der Atomlobby als Hausprediger einspannen. Von der Tatsache, dass Sonnen- Wind und Offshore Windenergie allesamt inzwischen für weniger als 5 €C./kWh ans Netz gehen, wenn wettbewerbliche Ausschrei-bungen durchgeführt werden, haben sie offensichtlich keine Notiz genommen oder wollen es einfach nicht wahrhaben, so wie die Millionen Opfer von Tschernobyl verdrängt werden, wo allein für die Aufräumarbeiten 600'000 junge Soldaten zwangsrekrutiert wurden. Der Beitrag in der NZZ hat viel mit Ideologie und wenig mit Ökonomie zu tun. Aber so ist es halt mit der NZZ, wenn es um erneuerbare Energien geht. Den Vormarsch der neuen Techniken kann auch die NZZ nicht aufhalten, und erst recht nicht zwei alte Atom-Lobbyisten, die ein Leben lang nichts anderes machten als den ökologischen Strukturwandel zu bekämpfen.

    AntwortenLöschen
  2. Zufälligerweise ist gerade der Halbjahresbericht 'Nuclear Report 2018' veröffentlicht worden. Der französische Herausgeber gilt als sehr guter Kenner der Materie und war bisher sicher nie als Freund der EE aufgefallen.
    Sein Fazit fällt verheerend aus für die Atomtechnologie! Aber lesen Sie selber:

    https://www.worldnuclearreport.org/-2018-.html

    AntwortenLöschen
  3. Zufälligerweise ist gerade der Halbjahresbericht 'Nuclear Report 2018' veröffentlicht worden. Der französische Herausgeber gilt als sehr guter Kenner der Materie und war bisher sicher nie als Freund der EE aufgefallen.
    Sein Fazit fällt verheerend aus für die Atomtechnologie! Aber lesen Sie selber:

    https://www.worldnuclearreport.org/-2018-.html

    AntwortenLöschen