Dienstag, 18. November 2025

Über Folgen des Wegfalls des AKW-Neubauverbots

Die Schweizerische Energie-Stiftung SES warnt in einer heute veröffentlichten Politikfolgenabschätzung, dass die geplante Streichung des AKW-Neubauverbots die Energiewende in der Schweiz stark verzögern und massive Kosten verursachen würde. Die Studie modelliert drei Szenarien und kommt zum Schluss: Allein die vage Aussicht auf ein neues Atomkraftwerk bremst Investitionen in die erneuerbaren Energien und verunmöglicht das Erreichen der Ausbauziele. 

Der Bundesrat beabsichtigt, das Neubauverbot für Atomkraftwerke aus dem Kernenergiegesetz zu streichen, um neue AKW dereinst zu ermöglichen. In seiner Botschaft ans Parlament unterschlägt er aber eine fundierte Analyse, wie sich diese politische Weichenstellung unmittelbar in den nächsten 20 Jahren auswirkt – also genau jener Zeitspanne, in der die Energiewende dringend vorangetrieben werden muss.

Einschätzung der politischen Folgen in mehreren Szenarien

Die heute von der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES) publizierte «Politikfolgenabschätzung zur Aufhebung des AKW-Neubauverbots» beleuchtet diesen blinden Fleck. Die Studie modelliert mithilfe von drei Szenarien die Effekte auf relevante Akteure wie Investor:innen, Projektentwickler:innen sowie die Politik und die staatlichen Institutionen. Dabei werden die Auswirkungen untersucht, falls das Neubauverbot aufgehoben würde – von einer Situation ohne AKW-Bauprojekt bis zum Szenario, in dem staatliche Mittel für einen AKW-Neubau umgeleitet und bereitgestellt werden.

Die Hauptbefunde der SES-Analyse sind bedenklich:

  1. Investitionsbremse für Erneuerbare: Bereits die Streichung des Verbots und die vage Aussicht auf neue AKW schaffen eine massive Verunsicherung am Markt. Das führt zu einer spürbaren Zurückhaltung der Investitionen und zu einer Verlangsamung des Ausbaus von Solar-, Wind- und Wasserkraft und Batteriespeichern in den nächsten 20 Jahren. Die blosse Spekulation über neue Atomkraftwerke kühlt das Investitionsklima für erneuerbare Energien also deutlich ab. 
     
  2. Verfehlte Ausbauziele: In allen untersuchten Szenarien verfehlt die Schweiz die ambitionierten Ausbauziele für erneuerbare Energien, wie sie im Stromgesetz von 2024 vorgegeben sind, deutlich. Im pessimistischsten Szenario, das die SES als realistisch bei einem AKW-Neubauprojekt erachtet, liegt der Ausbau der Photovoltaik bis 2045 um bis zu 30 Prozent unter dem heutigen Referenzszenario.
     
  3. Kostenexplosion und Subventionsverschiebung: Wenn staatliche Mittel – etwa 0.5 Rappen pro Kilowattstunde aus dem Netzzuschlagsfonds – für den AKW-Neubau umgeleitet werden, stehen sie nicht mehr für die Förderung der kostengünstigen erneuerbaren Energien zur Verfügung. Dies verteuert die Energiewende unnötig und führt zu massiven Verzögerungen. Das stellt auch die Versorgungssicherheit in Frage. 

Nils Epprecht, Geschäftsleiter der Schweizerischen Energie-Stiftung SES, fasst die Ergebnisse zusammen: «Unsere Politikfolgenabschätzung zeigt klar: Die Aufhebung des AKW-Neubauverbots bedeutet keine langfristige Option, sondern die sofortige Blockade der Energiewende. Wir können es uns nicht leisten, die günstigste und schnellste Lösung – den Ausbau der erneuerbaren Energie – aufs Spiel zu setzen, nur um einem unsicheren Atom-Abenteuer in ferner Zukunft einen Türspalt zu öffnen.»

AKW und Erneuerbare sind unvereinbar 

Die Studie hält fest, dass der Bau neuer AKW nicht nur technologisch, sondern vor allem regulatorisch, finanziell und zeitlich mit extrem hohen Unsicherheiten behaftet ist. Diese Unsicherheiten strahlen direkt auf den Ausbau der sicheren und planbaren erneuerbaren Energien ab. Die Schweiz braucht jetzt eine klare, verlässliche Energiepolitik, die auf den schnellen Ausbau der sauberen und einheimischen Solar-, Wind- und Wasserkraft setzt.

Epprecht ergänzt: «Die Politik muss erkennen, dass neue Atomkraftwerke und der notwendige, forcierte Ausbau der Erneuerbaren unvereinbare Gegensätze sind. Jeder Franken, der in ein AKW-Projekt fliesst – oder allein schon die Diskussion darüber befeuert – fehlt, um unsere Energie rasch erneuerbar und unabhängig zu machen. Das bringt die Ausbauziele in Gefahr.» 

AKW-Neubauverbot schafft Planungssicherheit und schützt die Ausbauziele

Die SES fordert das Bundesparlament darum dringend auf, das gesetzliche Neubauverbot zu erhalten, um Planungssicherheit für die von der Bevölkerung vorgegebenen Ausbauziele der Energiewende zu gewährleisten und die Investitionen in die dezentrale, erneuerbare Energieerzeugung in den kommenden Jahren nicht zu gefährden.

Studie zum Download


Politikfolgeabschätzung zur Aufhebung des AKW-Neubauverbots (PDF, 2,7 MB)
 

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