Die energiepolitische Diskussion hat im Laufe der Auseinandersetzungen
ums Klima wieder an Brisanz gewonnen. Und wie das Amen in der Kirche tauchen erneut
Forderungen auf nach dem Bau neuer AKW, um den CO2-Ausstoss zu mindern. Vergessen
geht dabei: Niemand weiss, wie das konkret zu bewerkstelligen ist. Dabei steht die
Alternative mit den Erneuerbaren Energien bereit.
Jürg Rohrer ist einer der jüngeren Schweizer Energiewissenschafter, die sich rund um die Erneuerbaren langsam aber sicher in den Vordergrund schieben. Der Professor für ebendiese von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) hat sich in den letzten Jahren mit Ertragsmessungen für kombinierte PV-Module (inkl. Wärmeerzeugung) einen Namen gemacht (siehe Solarmedia 1.März 2015). Nun verallgemeinert er seine Erkenntnisse und hält in einem Beitrag für die Zeitschrift «Erneuerbare Energien» (Nr.2 April 2019) klipp und klar fest: «Nachhaltige Energie ist im Überfluss vorhanden.» Sie ist gemäss Rohrer der mit Abstand schnellste, kostengünstigste und vor allem sicherste Weg zu einer nachhaltigen, klimafreundlichen Energiepolitik. Zuvorderst steht dabei die Solarenergie, gefolgt von der Windenergie, der Biomasse und der Wasserkraft. Und das entsprechende Potential sei erst zu einem Bruchteil genutzt – liege mithin also praktisch immer noch brach und wäre problemlos erschliessbar.
So könnte gemäss
Rohrer auch ein wesentlich grösserer Strombedarf als heute mit heimischen
Erneuerbaren gedeckt werden. Finanziell ginge das auf, da wir bis anhin
jährlich weit über zehn Milliarden ins Ausland zahlen, um Energieträger wie
Erdöl und Gas überhaupt erst ins Land zu holen. Mit der bereits erschlossenen
und genutzten Wasserkraft, die heute schon zu drei Fünfteln den hiesigen
Strombedarf deckt, liesse sich dessen vollständige Versorgung also mit
heimischen erneuerbaren Energien bewältigen – und ein Mehr an Strom anderen
Anwendungen wie der E-Mobilität zukommen. Eine Absage erteilt Roher dem Hoffen
auf freiwillige Verhaltensänderungen. Wenn überhaupt wirkten sie viel zu
langsam. Nicht weit liegt der Vergleich mit dem Verkehr, der sich eben
teilweise auch nur mit Verboten und Vorschriften regeln lasse (Beispiele:
Gurtentragpflicht, Halteverbot bei Rotlicht etc.). Niemand darf sich
schliesslich freikaufen im Bestreben, das Klima zu schützen – daraus ergäbe
sich jene Investitionssicherheit, aufgrund derer die Wirtschaft sicherlich
mitziehen würde bei klimaschützenden Massnahmen.
Doch wie steht es
aktuell um die technische Realisierbarkeit dieses schnellen Weges zu 100%-Erneuerbar?
Mit Blick auf die Meldungen der jüngsten Zeit muss man anerkennen: auf jeden
Fall viel besser als mit der Realisierbarkeit im Bereich der Atomtechnologie.
Mal abgesehen davon, dass letztere in den vergangenen Jahren nur immer teurer
wurde (Kostenüberschreitungen bei den einzigen beiden Neubau-Projekten in
Europa um jeweils das Dreifache). Vielmehr stehen AKW der dritten und vierten
Generation nicht einfach so bereit, sind technisch weiterhin unausgereift – und
politisch letztlich auch nicht willkommen (ausser bei einigen weisshaarigen
älteren sowie vorzeitig gealterten Männern.

Die Solartechnologie
erzielt demgegenüber vielerorten lauter kleine, aber bedeutsame Fortschritte.
Sie zeigen, dass die Spitze der Fahnenstange der technologischen Entwicklung
noch längst nicht erreicht ist. So schien die Dünnschichttechnologie lange in
ein Nischendasein abzugleiten, plötzlich ist sie wieder da: Die Hoffnung ruht auf
einer Silizium- oder Dünnschichtzelle, die mit einer zweiten, über ihr
liegenden Solarzelle verschaltet werden, siehe Neue Zürcher Zeitung. Und die herkömmliche
und marktbeherrschede Siliziumtechnologie mausert sich gerade, auch dank den
technischen Fortschritten bei Meyer Burgers Produktionsanlagen, zu bislang
nicht für möglich gehaltenen Leistungsgraden. Zudem zeigt sich unterdessen,
dass Module in der Regel deutlich länger als die früher veranschlagten 20 Jahre
gute Erträge liefern - die Tessiner Versuchsanlage arbeitet
unterdessen mit bald 40 Jahre alten PV-Zellen. Ganz allgemein gilt: Auf Schweizer Dächern
und Fassaden könnten 67 Terawattstunden Solarstrom erzeugt werden. Das sind
40-mal mehr, als heutige Photovoltaikanlagen erzeugen. Das potenzielle Angebot
übersteigt den Stromverbrauch deutlich, siehe hier.

Will also heissen: Weder ist Atomtechnologie in der Lage, die Energiebedürfnisse zu decken – noch ist sie auf der Höhe der Zeit, wenn man sie mit der erreichten Kosteneffizienz und technologischen Reife der Erneuerbaren vergleicht. Besonders gute Voraussetzungen hat dabei die Schweiz: eine Solarforschung auf Weltklasse-Niveau, viele gute Praktiker (und wenige Praktikerinnen), hervorragende Speichervoraussetzungen dank der bereits erstellten Infrastruktur und nicht zuletzt gute Solarerträge.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen